"Keta und Krawall, meine Nase ist wund"
So hat sich der Drogenkonsum junger Menschen verändert
von Naomi Stieglmaier
Foto: unsplash
Im letzten Jahr zeigt eine Recherche des funk-Formats STRG_F: Auf TikTok hat sich eine Art neue Drogenszene entwickelt, die auch Jugendliche anspricht. Nutzer:innen tauschen sich auf der Plattform über ihre Erfahrungen aus. Dabei erzählen junge Menschen, dass sie zum Zeitpunkt ihres ersten Drogenkonsums gerade einmal 12 Jahre alt waren. In den sozialen Netzwerken wird der Konsum häufig positiv und harmlos dargestellt. Welche Auswirkungen hat das?
„Der Konsum fängt immer früher an und er bezieht sich eben nicht mehr nur auf Großstädte, sondern auch auf ländliche Regionen. Das ist ein Fakt“, sagt Suchttherapeut Matthias Rost, von der Leipziger Jugenddrogenberatung K(L)ICK. Neben gängigen Drogen wie Nikotin und Alkohol werden auch immer mehr illegale Substanzen wie MDMA, Kokain oder Speed von jungen Menschen konsumiert. Was sich verändert hat, ist vor allem die Mischung. Konsumierende nehmen nicht nur eine Droge, sondern mehrere gleichzeitig. Das bestätigt auch Matthias Rost: „Wir haben sehr oft Mix-Kombinationen. Ein bisschen Kokain hier, ein bisschen Ketamin da. Viele Konsumenten nehmen nicht mehr nur eine Droge, sondern einfach das, was gerade da ist.“
Auch in Leipzig komme das an. So läge vor allem die Mischung von Kokain und Ketamin, auch „Keks“ genannt, im Trend. Das soll besonders gefährlich sein. Der Mischkonsum erzielt nämlich auch ganz andere Wirkungen. „Früher gab es eine Droge für ein Problem. Heute erleben wir bei Konsument:innen, dass jede Stimmungslage über Drogen verändert werden muss und das macht natürlich auch die Abhängigkeit komplexer“, erzählt Rost.
Der Drogenkonsum bringt Risiken mit sich. Generell steigt neben dem Konsum an sich auch die Anzahl der Drogentoten. Laut einer Abfrage von STRG_F seien 2022 insgesamt 131 Menschen gestorben, die jünger als 22 Jahre alt waren. Im Jahr 2019 waren es noch 59.
Rap und TikTok – Drogen werden zelebriert
"Keta und Krawall, meine Nase ist wund. Titten sind prall und der Arsch ist rund." - Zu diesem Songtext von Ikkimel tanzen rund 7000 Jugendliche auf TikTok. Und das ist kein Einzelfall. Generell sind illegale Drogen in der Musikszene und auf Social Media angekommen. Große Künstler wie Longus Mongus von BHZ, Ski Aggu und auch Newcomer wie Yakary rappen über Ketamin, Tilidin, Benzos und Koks.
„Viele denken sich, das ist ja alles gar nicht so schlimm. Dann kommt noch der leichte Zugang hinzu und auf Social Media wird der Konsum ja auch teilweise gefeiert“, sagt Rost. Oxycodon würde zum Beispiel in der Rapmusik sehr gefeiert. Das führe laut dem Suchttherapeuten dazu, dass die Schwelle zum Konsum singt und eine gewisse Normalität damit einhergeht.
Fotos: TikTok | Links: user4612896817542 Mitte: lilkeen_1 Rechts: rebecca.brouwers
Drogenkonsum wird zum „Lifestyle“
Die Frankfurter Studie MoSyd (Monitoring-System Drogentrends) untersucht jedes Jahr den Drogenkonsum von 15 bis 18-jährigen. Dazu wurden 951 Schüler:innen befragt. 2021 geben 8% der Befragten an, dass sie schon mindestens einmal in ihrem Leben illegale Drogen konsumiert haben. Cannabis ist davon ausgeschlossen.
Außerdem gaben 24% zum Zeitpunkt der Befragung an, in den letzten 12 Monaten unter psychischen Beschwerden gelitten zu haben. Am häufigsten in Form von depressiven Verstimmungen, Depressionen oder Panikattacken. Jugendliche mit psychischen Problemen haben laut MoSyd öfter Konsumerfahrungen mit illegalen Drogen.
Der Grund für den Konsum von Drogen sei laut der Studie aber hauptsächlich Neugier. Befragte gaben aber auch an, den Alltag vergessen zu wollen oder aus sozialen Gründen zu konsumieren. „Die Jugendlichen haben mittlerweile das Gefühl, dass alle Drogen nehmen würden. Und sie denken mit ihnen wäre etwas falsch, wenn sie das nicht tun.“ Auch bei Studierenden soll der Drogenkonsum steigen. Dieser findet nicht mehr nur auf Partys statt, er habe sich zum „Lifestyle“ entwickelt.
Aufklärung müssten Eltern leisten
Laut der Studie informieren sich die Befragten über Drogenkonsum in erster Linie über soziale Medien. Und genau da sei eine Regulierung schwierig. Um TikTok nutzen zu können müssen User:innen laut Richtlinien gerade einmal 13 Jahre alt sein. Viele auf der Plattform sind also noch minderjährig.
Auf TikTok sind zwar bestimmte eindeutige Begriffe gesperrt, zum Beispiel Ketamin oder MDMA. Nutzer:innen können dies aber umgehen, indem sie auf Synonyme wie „Keta“ oder „Emma“ zurückgreifen. Eine Regulierung wäre zwar sinnvoll , aber schwer umzusetzen. Hier müssten laut Matthias Rost vor allem Eltern überlegen, wann sie ihren Kindern welche Netzwerke zur Verfügung stellen. Außerdem seien diese auch für die Aufklärung verantwortlich.
Wer hat diese Seite mit Inhalt gefüllt?
Naomi ist Gründungsmitglied von ZWEINULLVIER und schreibt gerne über Gesellschaft und Popkultur.
"Keta und Krawall, meine Nase ist wund"
So hat sich der Drogenkonsum junger Menschen verändert
von Naomi Stieglmaier
Foto: unsplash
Im letzten Jahr zeigt eine Recherche des funk-Formats STRG_F: Auf TikTok hat sich eine Art neue Drogenszene entwickelt, die auch Jugendliche anspricht. Nutzer:innen tauschen sich auf der Plattform über ihre Erfahrungen aus. Dabei erzählen junge Menschen, dass sie zum Zeitpunkt ihres ersten Drogenkonsums gerade einmal 12 Jahre alt waren. In den sozialen Netzwerken wird der Konsum häufig positiv und harmlos dargestellt. Welche Auswirkungen hat das?
„Der Konsum fängt immer früher an und er bezieht sich eben nicht mehr nur auf Großstädte, sondern auch auf ländliche Regionen. Das ist ein Fakt“, sagt Suchttherapeut Matthias Rost, von der Leipziger Jugenddrogenberatung K(L)ICK. Neben gängigen Drogen wie Nikotin und Alkohol werden auch immer mehr illegale Substanzen wie MDMA, Kokain oder Speed von jungen Menschen konsumiert. Was sich verändert hat, ist vor allem die Mischung. Konsumierende nehmen nicht nur eine Droge, sondern mehrere gleichzeitig. Das bestätigt auch Matthias Rost: „Wir haben sehr oft Mix-Kombinationen. Ein bisschen Kokain hier, ein bisschen Ketamin da. Viele Konsumenten nehmen nicht mehr nur eine Droge, sondern einfach das, was gerade da ist.“
Auch in Leipzig komme das an. So läge vor allem die Mischung von Kokain und Ketamin, auch „Keks“ genannt, im Trend. Das soll besonders gefährlich sein. Der Mischkonsum erzielt nämlich auch ganz andere Wirkungen. „Früher gab es eine Droge für ein Problem. Heute erleben wir bei Konsument:innen, dass jede Stimmungslage über Drogen verändert werden muss und das macht natürlich auch die Abhängigkeit komplexer“, erzählt Rost.
Der Drogenkonsum bringt Risiken mit sich. Generell steigt neben dem Konsum an sich auch die Anzahl der Drogentoten. Laut einer Abfrage von STRG_F seien 2022 insgesamt 131 Menschen gestorben, die jünger als 22 Jahre alt waren. Im Jahr 2019 waren es noch 59.
Rap und TikTok – Drogen werden zelebriert
"Keta und Krawall, meine Nase ist wund. Titten sind prall und der Arsch ist rund." - Zu diesem Songtext von Ikkimel tanzen rund 7000 Jugendliche auf TikTok. Und das ist kein Einzelfall. Generell sind illegale Drogen in der Musikszene und auf Social Media angekommen. Große Künstler wie Longus Mongus von BHZ, Ski Aggu und auch Newcomer wie Yakary rappen über Ketamin, Tilidin, Benzos und Koks.
„Viele denken sich, das ist ja alles gar nicht so schlimm. Dann kommt noch der leichte Zugang hinzu und auf Social Media wird der Konsum ja auch teilweise gefeiert“, sagt Rost. Oxycodon würde zum Beispiel in der Rapmusik sehr gefeiert. Das führe laut dem Suchttherapeuten dazu, dass die Schwelle zum Konsum singt und eine gewisse Normalität damit einhergeht.
Fotos: TikTok | Links: user4612896817542 Mitte: lilkeen_1 Rechts: rebecca.brouwers
Drogenkonsum wird zum „Lifestyle“
Die Frankfurter Studie MoSyd (Monitoring-System Drogentrends) untersucht jedes Jahr den Drogenkonsum von 15 bis 18-jährigen. Dazu wurden 951 Schüler:innen befragt. 2021 geben 8% der Befragten an, dass sie schon mindestens einmal in ihrem Leben illegale Drogen konsumiert haben. Cannabis ist davon ausgeschlossen.
Außerdem gaben 24% zum Zeitpunkt der Befragung an, in den letzten 12 Monaten unter psychischen Beschwerden gelitten zu haben. Am häufigsten in Form von depressiven Verstimmungen, Depressionen oder Panikattacken. Jugendliche mit psychischen Problemen haben laut MoSyd öfter Konsumerfahrungen mit illegalen Drogen.
Der Grund für den Konsum von Drogen sei laut der Studie aber hauptsächlich Neugier. Befragte gaben aber auch an, den Alltag vergessen zu wollen oder aus sozialen Gründen zu konsumieren. „Die Jugendlichen haben mittlerweile das Gefühl, dass alle Drogen nehmen würden. Und sie denken mit ihnen wäre etwas falsch, wenn sie das nicht tun.“ Auch bei Studierenden soll der Drogenkonsum steigen. Dieser findet nicht mehr nur auf Partys statt, er habe sich zum „Lifestyle“ entwickelt.
Aufklärung müssten Eltern leisten
Laut der Studie informieren sich die Befragten über Drogenkonsum in erster Linie über soziale Medien. Und genau da sei eine Regulierung schwierig. Um TikTok nutzen zu können müssen User:innen laut Richtlinien gerade einmal 13 Jahre alt sein. Viele auf der Plattform sind also noch minderjährig.
Auf TikTok sind zwar bestimmte eindeutige Begriffe gesperrt, zum Beispiel Ketamin oder MDMA. Nutzer:innen können dies aber umgehen, indem sie auf Synonyme wie „Keta“ oder „Emma“ zurückgreifen. Eine Regulierung wäre zwar sinnvoll , aber schwer umzusetzen. Hier müssten laut Matthias Rost vor allem Eltern überlegen, wann sie ihren Kindern welche Netzwerke zur Verfügung stellen. Außerdem seien diese auch für die Aufklärung verantwortlich.
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Naomi ist Gründungsmitglied von ZWEINULLVIER und schreibt gerne über Gesellschaft und Popkultur.