Generation Trash-TV
Kommentar von Naomi Stieglmaier
Immer wieder werden neue Reality-TV-Formate aus dem Boden gestampft. Ein Hype, der kein Ende zu nehmen scheint. Warum sind die Sendungen so beliebt und tun sie uns wirklich gut? ZWEINULLVIER-Redakteurin Naomi hat sich damit auseinandergesetzt.
Foto: pixabay
Die junge Generation ist süchtig – nach Trash-TV. „Love Island“, „Der Bachelor“, „Temptation Island“, die Auswahl ist grenzenlos. Sogar Netflix ist ins Trash-TV-Business eingestiegen und produziert eigene Formate wie „Too Hot to handle“ oder „Love is blind“. Wer bei so einem Format mitmacht, kann sich danach meist an einer Karriere in den sozialen Medien erfreuen. Was früher ein Guilty Pleasure war, ist heute gesellschaftlich etabliert.
Aber warum ist Trash-TV eigentlich so beliebt? Joan Bleicher, Professorin am Institut für Medien und Kommunikation Hamburg, erwähnte in einem Interview Anfang 2023 dem NDR gegenüber: „Generell gilt beim Reality-TV das grundlegende menschliche Interesse am Leben der Anderen. Außerdem ist immer wieder auch der soziale Vergleich entscheidend: Ich sehe Menschen, die häufig in sehr prekären Situationen leben, und ich fühle mich dadurch im sozialen Vergleich bestätigt, in meiner eigenen Normalität.“
Mit anderen Worten: Wir fühlen uns gut dabei, denn wir haben unser Leben ja viel besser im Griff als die im Fernsehen. Außerdem sind wir gelangweilt von unserem eigenen Alltag und schauen uns deshalb gerne den von anderen an. Was alle Trash-TV Formate gemeinsam haben: Ganz viel Drama. Davon kann es nie genug geben. Logisch, denn wäre alles harmonisch, würden die Zuschauerzahlen drastisch abfallen. Wir wollen Streit, Tränen und Gossip.
Auf den ersten Blick scheint das nicht verwerflich zu sein, denn Trash-TV schauen macht Spaß. Tatsächlich führt diese Obsession aber dazu, dass Formate wie „Germanys Next Topmodel“ gezielt Personen in einer bestimmten Art und Weise darstellen und Streit provozieren. Und wir? Wir nutzen Instagram, TikTok und Twitter, um die Teilnehmer zu zerreißen und um abzulästern. Für die eigene Charakterbildung ist das sicherlich nicht gut, aber davon abgesehen, bringt das noch ganz andere Folgen mit sich. Cybermobbing. So wurde eine Kandidatin von „Germanys Next Topmodel“ so sehr beleidigt und bedroht, dass sie öffentlich von Suizidgedanken sprach. Das Format sendet fröhlich weiter. Wie kann das sein?
Die mentale Gesundheit scheint die Produzent:innen wenig zu interessieren. Beim „Bachelor“ sind die Kandidat:innen wochenlang in einer Villa eingesperrt, ohne Fernsehen, Internet oder sonstige Möglichkeiten sich zu beschäftigen. Abgesehen von Sportgeräten. Sie warten also nur darauf, dass sie mal rausdürfen. Auf ein Date. Wie großzügig. Drama ist da vorprogrammiert. Muss das wirklich sein? Der psychische Druck für die Teilnehmer:innen ist extrem hoch , aber das ist uns ja egal. Dass die Produktion solcher Fernsehformate nicht optimal abläuft, ist schon längst bekannt. Solange wir uns nicht mit uns selbst und unseren eigenen Problemen auseinandersetzen müssen, nehmen wir das gerne in Kauf.
Was bei Trash-TV außerdem problematisch ist: Sexismus und Bodyshaming. Die Folgen werden nämlich meist an tropischen Orten gedreht. Grund dafür sind ein schönes Ambiente und coolere Dates. Oder? Man könnte auch denken es geht vielmehr darum, dass die Akteure möglichst wenig anhaben. Denn wir wir alle wissen: Sex sells. Generelle Kleiderordnung: Bikini und Badehose. So treten regelmäßig halbnackte Männer und Frauen in sogenannten „Challenges“ gegeneinander an, reiben sich mit Sahne ein oder wälzen sich bei einem Hindernisparcours im Schlamm. Sex scheint auch das einzige Gesprächsthema zu sein. Denn darum dreht sich meist alles. Naja, und ums Aussehen. Platz für relevante Themen gibt es anscheinend nicht.
Außerdem sehr wichtig für den Spaßfaktor vor Ort ist Alkohol. So kommt es regelmäßig zu Interviews mit Teilnehmer:innen, die kaum noch ordentlich sprechen können. Ganz ehrlich, ich glaub anders würde ich es auch nicht aushalten. Nicht weit vom Alkohol liegen auch die Zigaretten. So quarzen Teilnehmer:innen vieler Formate von morgens bis abends gemütlich in der Raucherecke ihre Kippen. Das ist auch völlig in Ordnung, aber die Produzent:innen scheinen zu vergessen, dass auch viele junge Menschen vor dem Fernseher sitzen und zuschauen.
Genug Bashing. Ob wir alle die schlechten Seiten am Trash-TV kennen? Ja! Ob wir es trotzdem schauen werden? Wahrscheinlich schon. Warum genau? Keine Ahnung. Vielleicht weil wir durch TikTok und Instagram eine so geringe Aufmerksamkeitsspanne besitzen, dass Serien ohne wirklichen Inhalt das Einfachste für uns sind. Wahrscheinlich sollten wir uns alle selbst einmal diese Frage stellen.
Wer hat diese Seite mit Inhalt gefüllt?
Naomi ist Gründungsmitglied von ZWEINULLVIER und schreibt gerne über Gesellschaft und Popkultur.
Generation Trash-TV
Kommentar von Naomi Stieglmaier
Immer wieder werden neue Reality-TV-Formate aus dem Boden gestampft. Ein Hype, der kein Ende zu nehmen scheint. Warum sind die Sendungen so beliebt und tun sie uns wirklich gut? ZWEINULLVIER-Redakteurin Naomi hat sich damit auseinandergesetzt.
Foto: pixabay
Die junge Generation ist süchtig – nach Trash-TV. „Love Island“, „Der Bachelor“, „Temptation Island“, die Auswahl ist grenzenlos. Sogar Netflix ist ins Trash-TV-Business eingestiegen und produziert eigene Formate wie „Too Hot to handle“ oder „Love is blind“. Wer bei so einem Format mitmacht, kann sich danach meist an einer Karriere in den sozialen Medien erfreuen. Was früher ein Guilty Pleasure war, ist heute gesellschaftlich etabliert.
Aber warum ist Trash-TV eigentlich so beliebt? Joan Bleicher, Professorin am Institut für Medien und Kommunikation Hamburg, erwähnte in einem Interview Anfang 2023 dem NDR gegenüber: „Generell gilt beim Reality-TV das grundlegende menschliche Interesse am Leben der Anderen. Außerdem ist immer wieder auch der soziale Vergleich entscheidend: Ich sehe Menschen, die häufig in sehr prekären Situationen leben, und ich fühle mich dadurch im sozialen Vergleich bestätigt, in meiner eigenen Normalität.“
Mit anderen Worten: Wir fühlen uns gut dabei, denn wir haben unser Leben ja viel besser im Griff als die im Fernsehen. Außerdem sind wir gelangweilt von unserem eigenen Alltag und schauen uns deshalb gerne den von anderen an. Was alle Trash-TV Formate gemeinsam haben: Ganz viel Drama. Davon kann es nie genug geben. Logisch, denn wäre alles harmonisch, würden die Zuschauerzahlen drastisch abfallen. Wir wollen Streit, Tränen und Gossip.
Auf den ersten Blick scheint das nicht verwerflich zu sein, denn Trash-TV schauen macht Spaß. Tatsächlich führt diese Obsession aber dazu, dass Formate wie „Germanys Next Topmodel“ gezielt Personen in einer bestimmten Art und Weise darstellen und Streit provozieren. Und wir? Wir nutzen Instagram, TikTok und Twitter, um die Teilnehmer zu zerreißen und um abzulästern. Für die eigene Charakterbildung ist das sicherlich nicht gut, aber davon abgesehen, bringt das noch ganz andere Folgen mit sich. Cybermobbing. So wurde eine Kandidatin von „Germanys Next Topmodel“ so sehr beleidigt und bedroht, dass sie öffentlich von Suizidgedanken sprach. Das Format sendet fröhlich weiter. Wie kann das sein?
Die mentale Gesundheit scheint die Produzent:innen wenig zu interessieren. Beim „Bachelor“ sind die Kandidat:innen wochenlang in einer Villa eingesperrt, ohne Fernsehen, Internet oder sonstige Möglichkeiten sich zu beschäftigen. Abgesehen von Sportgeräten. Sie warten also nur darauf, dass sie mal rausdürfen. Auf ein Date. Wie großzügig. Drama ist da vorprogrammiert. Muss das wirklich sein? Der psychische Druck für die Teilnehmer:innen ist extrem hoch , aber das ist uns ja egal. Dass die Produktion solcher Fernsehformate nicht optimal abläuft, ist schon längst bekannt. Solange wir uns nicht mit uns selbst und unseren eigenen Problemen auseinandersetzen müssen, nehmen wir das gerne in Kauf.
Was bei Trash-TV außerdem problematisch ist: Sexismus und Bodyshaming. Die Folgen werden nämlich meist an tropischen Orten gedreht. Grund dafür sind ein schönes Ambiente und coolere Dates. Oder? Man könnte auch denken es geht vielmehr darum, dass die Akteure möglichst wenig anhaben. Denn wir wir alle wissen: Sex sells. Generelle Kleiderordnung: Bikini und Badehose. So treten regelmäßig halbnackte Männer und Frauen in sogenannten „Challenges“ gegeneinander an, reiben sich mit Sahne ein oder wälzen sich bei einem Hindernisparcours im Schlamm. Sex scheint auch das einzige Gesprächsthema zu sein. Denn darum dreht sich meist alles. Naja, und ums Aussehen. Platz für relevante Themen gibt es anscheinend nicht.
Außerdem sehr wichtig für den Spaßfaktor vor Ort ist Alkohol. So kommt es regelmäßig zu Interviews mit Teilnehmer:innen, die kaum noch ordentlich sprechen können. Ganz ehrlich, ich glaub anders würde ich es auch nicht aushalten. Nicht weit vom Alkohol liegen auch die Zigaretten. So quarzen Teilnehmer:innen vieler Formate von morgens bis abends gemütlich in der Raucherecke ihre Kippen. Das ist auch völlig in Ordnung, aber die Produzent:innen scheinen zu vergessen, dass auch viele junge Menschen vor dem Fernseher sitzen und zuschauen.
Genug Bashing. Ob wir alle die schlechten Seiten am Trash-TV kennen? Ja! Ob wir es trotzdem schauen werden? Wahrscheinlich schon. Warum genau? Keine Ahnung. Vielleicht weil wir durch TikTok und Instagram eine so geringe Aufmerksamkeitsspanne besitzen, dass Serien ohne wirklichen Inhalt das Einfachste für uns sind. Wahrscheinlich sollten wir uns alle selbst einmal diese Frage stellen.
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Naomi ist Gründungsmitglied von ZWEINULLVIER und schreibt gerne über Gesellschaft und Popkultur.